Der Vorsitzende: Martin Fink - Rittershausstr. 12,
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Fünfzehn Jahre lang eine starke Initiative gegen die Kerb auf dem Alten Friedehof
Liebe Mitglieder und Freunde, liebe Anwohner!
Viele werden sich noch erinnern, wie nach Jahren der Verödung des Alten Friedhofes die Stadt 1999 das Gelände herrichten ließ, die Zeit der nahenden Kerb aber nicht ausreichte, um die Neuanlage sich absetzen zu lassen. Die Fahrgeschäfte versanken im Erdreich und ließen eine Schlammwüste zurück. Als Reaktion entstand die Initiative „Alter Friedhof“. Ich wandte mich als ihr Sprecher damals zunächst an die Anwohner, um für eine starke Bürgerinitiative gegen die Kerb auf dem Alten Friedhof zu werben. Einige von ihnen engagieren sich bis heute, ab 2008 in der Nachfolge-Initiative, dem oben genannten Verein. Schon damals kam mir viel Sympathie für das Anliegen entgegen.
Also genug Grund, um mich neben den Mitgliedern und Freunden des Alten Friedhofes auch wieder an die Anwohner der einmaligen innerstädtischen Grünanlage und Erinnerungsstätte zu wenden.
Wenn ich von den Begriffen „Grünanlage“ und „Erinnerungsstätte“ spreche, dann sind sie jeweils ein „Dokument“ dessen, was mich bewegt: Der Erhalt und die Verschönerung der gesamten Grünanlage und das Erinnern an die über 4300 im 19. Jahrhundert dort Bestatteten, auf deren Schultern der Entwicklungsumbruch vom Söderdorf Nauheim zur Stadt Bad Nauheim lastet. Vielen Bürgern lag anfangs vor allem die Pflege der Grünanlage am Herzen, doch mit dem Setzen der Stelen 2008 und der damit begonnenen geschichtlichen Sichtbarmachung der Stadtentwicklung wuchs das Interesse an dieser für unsere Stadt so wichtigen Epoche. Damit hat die Fläche in ihrer Gesamtheit, nicht nur in Teilen (Kriegerdenkmal 1870/71), eine andere Qualität erhalten. Nun ist es an der Zeit, dem veränderten Bewusstsein Rechnung zu tragen und der gesamten Grünanlage den erweiterten Schutz zukommen zu lassen (siehe auch WZ „Ziel: Denkmalschutz für Alten Friedhof“, 16.10.2014).
Unter dem Eindruck der unbedachten aber auch witterungsbedingt zwangsläufigen Verwüstung 1999 flammte abermals die Diskussion auf, ob der Alte Friedhof der richtige Ort für die Kerb sein kann. Aber aus dem Debakel wurden die falschen Lehren gezogen: Die Stadtverordneten beschlossen Ende Januar 2000 mehrheitlich, den Alten Friedhof als Kerbstandort zuzulassen. Damit schien aufzugehen, was 1953 schon mal und sehr konkret angedacht und in der Folge immer wieder versucht worden war, den ehemaligen Friedhof per Abgeordnetenbeschluss zum Kerbstandort zu machen. - Die Bad Nauheimer Kerb war und blieb eine Platz-Kerb. Ab 1951 erfolgte ihre Ausdehnung in die umliegenden Straßen. Doch das reichte nicht. Die Suche nach einem anderen Kerbplatz ging weiter: 1949 noch Marktplatzkerb; Überlegungen zur Verlegung auf den Platz „Am Gaswerk“ - nahe Mütter – und Familienzentrum; 1953 Alter Friedhof; 1954 bis 1981 große Bleiche/Rießstraße; 1982 erforderliche Verlagerungen, die sich aus der Neugestaltung des Marktplatzes ergeben, sollen in Richtung Burgpforte, Burgstr. und Burgplatz erfolgen; 1984 bedingt durch Neugestaltung des Marktplatzes und Wegfall der Nach-Kerb Verlagerung des Autoskooters und einiger anderer Fahrgeschäfte auf den Alten Friedhof.
1984 heißt es noch lt. Kirchweihkommission: Die Bad Nauheimer Kirchweih soll solange auf der Grünanlage Alter Friedhof abgehalten werden, bis der Umbau des Marktplatzes abgeschlossen ist. 1988 nach Umbau des Marktplatzes: Die Schausteller, die bisher auf dem Alten Friedhof standen, sollen wieder einen Standplatzvertrag erhalten. Auf dem Marktplatz werden … andere zugelassen. 1996 einstimmiger Beschluss, den Standort „Alter Friedhof“ beizubehalten. 1997 abermals Diskussion (Bürgerversammlung) zur Verlegung der Kerb auf die Bleiche: Der Kerbplatz Alter Friedhof soll, so die Mehrheitsmeinung, auch der Ort der Kirchweihe bleiben (WZ 22.01.1997).
Weil man in der Grünanlage „ Alter Friedhof“ immer eine Option zum Ausweichen hatte, sah man keine Notwendigkeit, sich ernsthaft nach einer Platzalternative umzuschauen.
Um keinen Zweifel an der Authentizität der im 19. Jahrhundert dort Bestatteten zu lassen, wurden 2007 unter Federführung von Dr. Thomas Schwab chronologisch ab 1802 alle Namen, 4300 an der Zahl – darunter etwa 2000 Kinder, mit Familienzugehörigkeit, Alter und Sterbetag erfasst (siehe auch www.alterfriedhof-badnauheim.de) und dem damaligen Bürgermeister Bernd Witzel überreicht. Es kam zu einem Treffen, bei dem der Förderverein seine Pläne zur Umgestaltung mit in die Waagschale werden konnte. Es soll, so Witzel, der an der Wilhelmskirche gelegene ältere Teil des einstigen Friedhofs zu einem Freilandmuseum der Stadtentwicklung vom Söderdorf zum Herzheilbad werden. Und weiter: „An fünf Tagen im Jahr werden sich … ‚zwei völlig gegensätzliche Betreiber‘ auf dem Alten Friedhof gegenüberstehen: Die Kerbveranstalter und der Förderverein mit seinem Freilichtmuseum. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis der Beschluss zum Kerbstandort aufgehoben werde, meint Witzel“ (FR 28.03.08).
Die weitere Entwicklung macht deutlich: Es sind immer mehr Bürger der Stadt und Gäste, die das jährliche Fünf-Tage-Spektakel auf dem Alten Friedhof als Zumutung empfinden - für die noch lebenden Angehörigen der dort Bestatteten ebenso wie für Gäste (worauf ich während der letzten Kerb selbst von einem Paar aus den Niederlanden angesprochen wurde), die fassungslos vor der Hinweistafel der dort zahlreich bestatteten Kinder standen, während auf dem anderen Teil des Geländes vorwiegend Kindern Kerbangebote gemacht wurden. Nicht zu vergessen: Auch die Schule ist unser Nachbar! Es passt nicht zusammen, wenn die Stadt auf ein und demselben Gelände Klamauk und Impulse der Nachdenklichkeit zulässt. Mögen sich manche Bad Nauheimer nichts dabei denken, weil sie es nicht anders kennen (das Gelände war bis Mitte der 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts Kinderspiel- und Tummelplatz verschiedenster Art), schädlich für das Image der Stadt ist der Rummel auf einem alten Friedhof allemal.
Der Förderverein will prüfen lassen, ob die Attraktivität der Kerb vor allem für die zahlreich jüngeren Familien auf der Grünfläche „Am Goldstein“ nicht besser gewährleistet werden kann. Seit der Landesgartenschau ist diese Anlage von den Zufahrten her, von der Hydranten- und Stromversorgung sowie Straßenstruktur im Gelände weitestgehend zur Nutzung als mögliche Festplatzanlage erschlossen. Zudem ist sie zentral gelegen und von allen Seiten der Stadt gut und schnell erreichbar. Unmittelbare Anwohner wie in der Innenstadt gibt es auf dem Gelände nicht.
Bürger und Förderverein, die sich in vielfältiger Weise der Anlage – und dem, was auf ihr entstanden ist - verpflichtet fühlen, machen sich für eine ungeteilte, weiter zu entwickelnde Parkanlage stark, die den (nachfolgenden) Generationen als gepflegte einmalige Natur- und Kulturanlage eindeutige Impulse vermitteln will.
Bitte unterstützen Sie mich und den Verein dabei!
Bad Nauheim Juli 2015
gez.: Martin Fink
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger.
liebe Gäste unserer Stadt,
gönnen Sie sich einen Blick vom Johannisberg, über die Weinberganlage zur Stadt, wie es 1B90 der,,Vater des Bades"und ,,Architekt" früher wichtiger Weichenstellungen für die Stadtentwicklung, Dr. Friedrich Bode, tat. Sein Resümee: ,,Es gibt wohl wenige Städte, die in den letzten 50 Jahren eine so durchgreifende Veränderung erfahren haben, wie unserNauheim."
Das eigentliche Dorf befand sich 1837, dem Niederlassungsjahr Dr. Bodes, in den engen Grenzen einer Ringmauer. Deren Verlauf erstreckte sich vom unteren Ende der Hauptstraße westlich bis zur heutigen Rießstraße und von der Nordmauer des alten Friedhofes bis hinter die Reinhardskirche. ln den 214 Häusern lebten damals 1.400 Einwohner.
Die Salzgewinnungsanlagen befanden sich außerhalb, in südöstlicher Richtung. Dort auf der ,,Saline" gab es sichere Arbeit und es blieb noch genug Zeit, die Landwirtschaft im Nebeneruverb zu betreiben.
Das Erscheinen der heil bringenden Badequellen brachte ungeahnten Aufschwung. Nauheim begann die engen Fesseln der Ummauerung abzustreifen. Neubaugebiete entstanden. Ab 1850 kam nord-westlich zunächst ,,die Hiesbach" mit ihren typischen Siedlungsbauten hinzu. Sie bot den einfachen Leuten
Wohnung und Existenz, die dort zum Teil einem Handwerk nachgingen oder auch für Kurgäste Quartiere bereithielten.
Etwa zeitgleich entstand ein vornehmes Villenviertel im Bereich Kurstraße und Stresemannstraße, was investitionswillige Fremde und dann auch zahlreiche Gäste aus Frankreich, Holland, Russland und anderen Ländem anlockte.
Die Verkehrsanbindung mit der Bahn kam hinzu und die Erhebung Nauheims zur Stadt, 1854 , brachte den für die weitere Entwicklung des Bades glücklichen Umstand, durch eine französische Betreibergesellschaft eine Spielbank eröffnen zu können. Damit verbunden waren u.a. Auflagen wie der Ankauf des Geländes zwischen Parkstraße und Teichhaus, was schließlich die Anlage des Kurparks durch den Hofgartendirektor Heinrich Siesmayer ermöglichte.
Nicht nur die Einwohnerzahl verdoppelte sich in diesen 50 Jahren, sondem auch die Zahl der Häuser. Und die Kurgästenahmen um ein Vielfaches zu, von 189 im Jahre 1837 auf etwa 22.000 um die Jahrhundert-wende. Bad Nauheim war zur Kurstadt von,,weltweitem" lnteresse geworden.
Die Menschen des 19. Jahrhunderts haben durch ihr Leben, ihre Arbeit, in ihren Funktionion als Bedienstete
der Stadt, des Bades und der Saline, als Kurgast oder in der Stadt weilend, um sich ,,Glück" zu erhoffen, ihre ,,Handschrift" hinterlassen, was sich dem Auge im oben dargestellten Stadtbild erschließt.
Sie haben den Grundstein für die Entwicklung Bad Nauheims bis zum heutigen Tag gelegt. Bestattet sind sie auf dem alten Friedhof an der Wilhelmskirche. lhre Namen sind uns bekannt.
An einige dieser Menschen, die durch ihr Leben, ihre Berufsausübung oder Funktion für die damalige Zeit typisch erschienen, wird durch lnschriften auf Basaltstelen erinnert.
Durch die beispielhafte Zusammenarbeit zwischen dem Förderverein "Alter Friedhof - Historischer Bürgerpark e.V." und der Stadt Bad Nauheim war es möglich, das Erbe der damaligen Zeit lebendig zu halten.
Blumen und Sträucher, die früher in den Friedhöfen zu Hause waren und in der ihnen zugewiesenen Bedeutung von Leben oder Tod künden, sind vielfach vergessen. ln professioneller gärtnerischer Arbeit wurden sie ausgewählt und in ihrer Symbolik für Leben und Sterben wieder sichtbar gemacht.
Lassen Sie sich auf lhrem Rundgang leiten von ,,Zeitzeugen" des vorletzten Jahrhunderts und nehmen Sie sich die Zeit, das durch Einzelne Geschaffene genauer in Augenschein zu nehmen
Ihr
Bernd Witzel
Bürgermeister der Stadt Bad Nauheim